Stephan, hast Du schon selbst Mediation in Anspruch genommen?
Ja, das habe ich. Ich hatte in meinem Team einen Konflikt, der sich offenbar über einen längeren Zeitraum aufgebaut hat, und für mich sehr plötzlich eskaliert ist. Die Zusammenarbeit war extrem gestört. Und es standen wichtige Termine an.
Ich habe zunächst versucht, den Konflikt zu moderieren und zu beruhigen. Schließlich bin ich Mediator und kenne mich mit so etwas aus. Aber ich bin eben auch Führungskraft, habe Verantwortung für die Personen in meinem Team. Ich bin also Teil des Konfliktsystems und nicht neutral, auch wenn ich mir Mühe gegeben habe. Es kamen weitere Themen dazu, plötzlich hatte ich es mit einem Knäul aus Konflikten zu tun. Ich gehe nicht weiter ins Detail.
Wir haben es immerhin hinbekommen, für unsere Kunden abzuliefern. Aber die Zusammenarbeit war eine Qual und hat alle im Team unglaublich viel Energie gekostet. Ich habe dann einen Mediatorin aus meinem Netzwerk gebeten, uns zu helfen.
Wie war das für Dich? Und für Dein Team?
Es gab einen Team-Workshop, an dem ich als Partei teilgenommen habe. Phase 2: Themensammlung. Ganz klassisch. Schön war es Alle Themen, die wir schon kannten, kamen nochmal auf den Tisch. Die Stimmung war sachlich, aber die Spannungen konnte man greifen. Aber wenigstens gab es eine Übersicht, eine Struktur der Themen. Das hatten wir vorher nicht.
Für mich als Führungskraft war es in dem Moment vor allem wichtig, die Verantwortung für den Prozess abgeben zu können. Ich konnte mich ganz auf meine Themen und Rollen im Team konzentrieren.
Für die Mitarbeitenden war es vermutlich etwas anders. Ich glaube nicht, dass sie genauso offen sein konnten wie ich. Irgendwie ging es ja schon um die gemeinsame Zukunft, und über die konnte ich ja auch einfach entscheiden.
Was war das Ergebnis?
Nach dem ersten Termin hat die Mediatorin ein Vorgehen mit mehreren Zweier-Terminen vorgeschlagen, um die verschiedenen Themen Schritt für Schritt klären zu können. Die Reihenfolge hat mir überhaupt nicht gepasst, aber ich habe das Vorgehen akzeptiert.
Dann wollte eine der Parteien einen längeren Einzeltermin mit der Mediatorin, über das Ziel kann ich nur mutmaßen. Die Mediatorin hat das abgelehnt und wir haben einen weiteren Termin geplant, um das Verfahren zu besprechen. Aber der Prozess war da im Grunde schon „tot“, das Vertrauen in den gemeinsamen Wunsch einer Konfliktklärung erschüttert. Die Kommunikation zu den Konfliktthemen hat aufgehört.
Was hast Du selbst daraus gelernt?
Drei „Learnings“ für den verantwortungsvollen Umgang mit Konflikten nehme ich mit:
- Als Führungskraft bin ich selbst Teil des Konfliktsystems. Das bedeutet: ich kann nie neutral sein und meine Bewertungen von Leistung und Verhalten aus dem Spiel lassen. Je mehr Distanz die Person hat die mediativ unterstützt, desto besser. Selbst in größeren Unternehmen ist es ein Risiko, jemanden aus einem anderen Bereich für eine Mediation einzusetzen, es begrenzt die Offenheit.
- Wenn Konflikte so eskalieren, dass die Zusammenarbeit fast schon krank macht, ist es vielleicht schon zu spät für eine konstruktive Bearbeitung. Ich kann nur empfehlen, auf Wiederholungen von Konflikten genau zu achten und lieber etwas zu früh mit einem Verfahren wie der Mediation zu handeln als zu spät.
- Ganz wichtig ist, durch gute Kommunikation die emotionale Verbindung zwischen den Streitenden zu stärken. Das ist extrem schwer für die Personen, die sich im emotionalen Schleudergang befinden.
In diesem Fall bestand das Ergebnis des Prozesses darin, die Zusammenarbeit im Team strukturell neu zu ordnen. Das war die Botschaft des Konflikts an mich. Es hatte für alle Beteiligten Konsequenzen. Der Mediationsprozess hat mir als verantwortungsvoller Führungskraft gezeigt, dass die gemeinsame Klärung nicht funktionieren würde. Auch das ist ein aus meiner Sicht ein gutes Ergebnis.